Sonntag, 28. August 2016

Von Morgen bis zur Abendlektüre

Hier ist eine kleine Kurzgeschichte die ich für einen Wettbewerb
zum Thema Lügen wie Münchhausen geschrieben habe.
Ein paar Bilder hab ich auch noch dazu gezeichnet.




                                Vom Morgen bis zur Abendlektüre

"Uuaahh" Das waren meine ersten Worte als ich heute Morgen aufwachte. Die Sonne schien durch das Fenster und forderte mich gerade zu auf, das Bett zu verlassen und den Tag zu genießen.  Das hatte ich auch vor.
Also machte ich mir ein Toast mit Käse und ein Spiegelei, noch etwas Obst und Kaffee mit Milch. Nachdem ich fertig gefrühstückt hatte und gewaschen war, goss ich mir noch einen Kaffee ein, wieder mit Milch und nahm mein neu erstandenes Buch zur Hand.
An einen so schönen Sonntagmorgen gibt es doch nichts besseres, als sich mit einem guten Buch in den Schatten eines Baumes zu setzen und sich in eine andere Welt entführen zu lassen.
Buch und Kaffee stellte ich erst einmal also auf den kleinen Holztisch unter dem Apfelbaum ab, denn vorher musste ich  mir noch die Gießkanne schnappen und das Gemüsebeet gießen.
Wie ich nun so dasaß und die erste Seite aufschlug, vernahm ich ein Rascheln neben mir im Gras.
Eine kleine Maus kam auf mich zugetippelt. Eigentlich war sie ziemlich groß für eine Maus, mit auch verhältnismäßig großen Ohren. Sie kletterte auf die Gießkanne die ich neben dem Tisch abgestellt hatte und starrte mich an.
"Na du bist aber eine Neugierige." sagte ich zu ihr, ohne wirklich eine Antwort zu erwarten. Doch die kam.
"Interessiert aber nicht neugierig."
"Oh, „ ich war dann doch etwas überrascht "Du sprichst ja Mäuschen, das überrascht mich aber."
"Warum sollte ich nicht sprechen. Ich höre den Menschen zu und kann sprechen. Ganz einfach. Und jetzt möchte ich dir zuhören beim lesen."
"Ich wollte das Buch aber nicht laut vorlesen. Ich wollte es ganz für mich lesen." gab ich der Maus zu verstehen.
"Ja das kannst du doch auch. Du musst nur die Lippen dabei bewegen."
"Du kannst auch von den Lippen lesen?" fragte ich nach.
"Nein das nicht. Aber wenn du die Lippen beim lesen bewegst ist das für mich laut genug um alles zu verstehen." sprach die Maus und zeigte auf ihr recht großen Ohren.

Ich unterhielt mich also mit einer Maus. Und die verlangte, das ich etwas tue, dass ich seit der 3. Klasse nicht mehr tat. Nein so wollte ich den Tag nicht verbringen. Ich gab der Maus zu verstehen, dass sie sich bitte einen anderen Vorleser suchen sollte und schlug mein Buch erneut auf. Da hörte ich ein kracksen und knabbern. Bevor mir klar wurde, woher das Geräusch kam war es auch schon zu spät. Der kleine neugierige und definitiv freche Nager hatte doch tatsächlich ein Tischbein durchgebissen. Als nächstes passierte also folgendes. Der Tisch kam ins kippen, meine Tasse mit dem Kaffe kam ins kippen und das Buch ins rutschen. Ich konnte die Tasse noch rechtzeitig festhalten das Buch fiel vom Tisch. Die Maus saß im Gras und winkte mir zu, das Buch fiel. 




Es fiel direkt in die Gießkanne auf der eben noch die Maus saß und die wie ich mit einem dumpfen Platschen hörte noch halb voll Wasser war.
"Entschuldigung, das habe ich nicht gewollt." quiekte die Maus und verschwand.
Ich zog schnell das Buch aus der Kanne, legte es auf den Tisch und besah mir den Schaden. Das Buch war komplett nass. Von vorne bis hinten, Seite für Seite durchnässt. Was für ein Ärger. Jetzt war schnelles Handeln gefragt. Schließlich sollte keine Druckerschwärze verlaufen. Das würde die Buchstaben ja nur unleserlich machen, und damit wäre das Buch endgültig nicht mehr zu gebrauchen. Also tat ich das einzig logische. Ich griff zur Schere und Schnitt aus allen Seiten die Buchstaben heraus, die ich dann sorgfältig und einzeln auf eine Leine zum trocknen hing. Bei einem Buch von 653 Seiten kommt da ganz schön was zusammen. Würde man die Buchstaben an einer gerade gespannten Leine aufhängen, käme man wohl fast auf eine Leinenlänge von einem Tagesmarsch.
Aber ich habe ja die Leine über mehrere Etagen zwischen den Wäschestangen gespannt, und diese dann in einem Zickzackmuster kreisförmig aufgestellt. Mit dieser Methode ersparte ich mir nicht nur einen sehr langen Fußmarsch, sondern war auch in etwas weniger als einer Stunde fertig. Alle Buchstaben hingen fein säuberlich auf der Leine zum trocknen.
Ich nahm meine Tasse und ging ins Haus um mir neuen Kaffee zu kochen. Stolz auf meine schnelle Rettungsaktion blickte ich durch das Fenster auf die vor sich hintrocknenden Buchstaben. Doch was war das? Ein Schwarm Zitronenfalter flatterte fröhlich durch das Leinengeflecht. Zitronenfalter zwischen meinen Buchstaben. Sofort wurde mir klar was das bedeutet. Zitrone ist gleich unsichtbare Tinte, oder macht Tinte unsichtbar. Ich eilte also hinaus um diese sonst so liebenswerten Flattermänner zu verjagen. Das gelang mir auch sehr schnell und erfolgreich, doch leider waren schon viele Buchstaben zum Teil unsichtbar geworden. Und ein kleiner Teil war komplett nicht mehr zu erkennen.
Was will man da machen? Ich holte mir also Pinsel und Farbe und malte die Buchstaben neu an. Bei den komplett unsichtbaren hatte ich einige Mühe alle zu finden, aber ich hatte es dann doch geschafft.
Nachdem ich Pinsel und Farbe wieder in die Werkstatt zurückgebracht hatte, fiel mir ein, dass ich ja auch noch den Tisch reparieren musste. Also nahm ich mir etwas Holz, Nägel, Leim und einen Hammer  und beseitigte den Mäuseschaden. Wie ich nun mit ein paar kräftigen Schlägen den ersten Nagel ins Holz treiben wollte, trabte gerade ein Schaf gemütlich vorbei. Allerdings erschreckte es bei meinen Hammerschlägen derart, das es wie vom Wolf gebissen über die Wiese jagte. Ich ließ den Hammer sofort fallen, konnte aber am Ende nur mit ansehen wie das arme verschreckte Tier sich in meiner Wäscheleine verfing. Oh, dieses dusselige Schaf, hätte es nicht wo anders hinrennen können. Ich eilte zu Hilfe und befreite das verängstigte Ding aus dem  Leinengestrüpp. Der Schaden an der Leine war kaum der Rede wert, aber einige hundert Buchstaben hatten sich doch in der Wolle verfangen und waren kaum darin zu finden.




Um alle Buchstaben zurück zu bekommen beschloss ich also folgendes.
Die Wolle muss ab. Allerdings, so überlegte ich, mit einer Schere einfach alles abschneiden bedeutet aber auch das ich eventuell einen Buchstaben aus Versehen treffen könnte. Das sollte natürlich nicht passieren. Ich nahm also das Schaf und zwei Stricknadeln und begann vom Schwanzende an die Wolle Stück für Stück abzuziehen. Am Ende kam ein schöner warmer Pullover heraus, abends wurde es ja auch schon recht frisch, und ich hatte wieder alle meine Buchstaben zusammen. Übrigens stellte ich dabei fest, das man doch gar kein Spinnrad braucht um Wolle herzustellen. Also wurden die Dinger wohl nur erfunden um Kindern Märchen von schlafenden Prinzessinnen zu erzählen, die auf irgendwelche Ritter warteten.
So ein Rotzbengel kam ja dann auch noch, in echt, nicht im Märchen.
Mit seiner Lanze schwingend kam dieser Schepperheini auf seinem Pferd über meinen Zaun gesprungen und versuchte alle großen Os von meinen Buchstaben aufzuspießen.
Der muss doch wohl spinnen dachte ich so bei mir. Das hab ich ihn dann auch gefragt. „Sag mal spinnst du?“ schrie ich zum Herrn Ritter rüber „Lass das gefälligst sein und gib mir meine Os zurück!“
Sein Pferd stoppte genau vor mir. Er beugte sich zu mir herunter und schob sein Visier hoch. „Erstens, nein ich spinne nicht. Und Zweitens wer was von mir will muss es sich in einem Turnier von mir holen.“
„Was denn für ein Turnier?“ wollte ich wissen. „Ich habe Erstens kein Pferd und Zweitens keine Lanze, geschweige eine Rüstung. Und Drittens sind das meine Os.“
Der Blechkamerad sprang vom Pferd und baute sich vor mir auf. „Na gut dein Erstens und dein Zweitens verstehe ich. Aber dein Drittens ist mir egal.“ Er schepperte kurz. „Dann lass uns Schach spielen.“
Man muss sich mal vorstellen, dieser Typ wollte um meine Os mit mir Schach spielen. Dazu hatte ich nun echt keine Lust. „Lass uns lieber Mau-Mau spielen.“
Gab ich ihm zur Antwort. Es schepperte wieder. „Mau-Mau ist aber kein sehr ritterliches Spiel. Nein wir spielen Schach.“ Ich erklärte ihm, dass doch auch beim Mau-Mau ein König dabei sei, und das wäre doch sehr ritterlich, mal abgesehen von der Dame und dem Buben. Er wollte aber nichts davon hören. Man könne keine Figuren auf einem Spielfeld ziehen, war sein Argument. Wir stritten so noch eine ganze Weile. Am Ende einigten wir uns auf Schach-Mau-Mau. Wie das Spiel geht wussten wir bis dahin auch nicht. Jetzt schon.
Jeder erhält 12 Karten und legt sie offen in 2 sechser Reihen vor sich hin. Auf die mittlere Karte in der unteren Reihe stellt man den König. In die Mitte kommt der Ablagehaufen. Den König zieht man nun abwechselnd um ein Kartenfeld. Am besten immer auf die Karte die man dann ablegen kann. Wer am Schluss alle Karten los ist hat gewonnen. Das war dann mit etwas Glück ich. 




Man glaubt ja nicht wie lange ein Ritter braucht um auf Toilette zu gehen. Bis der die Rüstung aus und wieder an hat, hatte ich dreimal Zeit die Karten zu meinen Gunsten zu sortieren.
Die Os waren also wieder mein und der Ritter ging geschlagen vom Feld.
Bei abnehmen der Os von seiner Lanze bemerkte ich das sie ganz trocken waren.
Wie wunderbar jetzt konnte ich mein Buch zusammensetzen und endlich lesen.
Ich sammelte alle Buchstaben ein, holte den Kleber und fügte die Seiten wieder Wort für Wort zusammen. Was für ein Glücksgefühl wieder ein komplettes Buch in den Händen zu halten.
Mittlerweile war es Abend geworden. Ich aß noch etwas, machte mir einen Tee mit Milch, zog mir den neuen Schafsfellpullover über und setzte mich in meinen Sessel. Ich schlug das Buch auf und begann zu lesen. Dabei bewegte ich die Lippen, denn die Maus mit den zu großen Ohren saß mir gegenüber und lauschte mit.


Ich hoffe ihr hattet viel Spass